Sport
Eismeister Zaugg

Eismeister Zauggs letzte Eindrücke nach dem WM-Drama von Stockholm

epa12135811 USA (gold), Switzerland (silver) and Sweden (bronze) after the IIHF Ice Hockey World Championship final match between Switzerland and the USA at Avicii Arena in Stockholm, Sweden, 25 May 2 ...
Wieder hängt die Schweizer Fahne nicht ganz zuoberst bei der Siegerehrung.Bild: keystone
Eismeister Zaugg

Eine letzte WM-Analyse zur Geisterstunde und «La Montanara»

Als Nationaltrainer Patrick Fischer seinen Interview-Marathon nach der bitteren Finalniederlage beendet, ist Mitternacht vorüber. Wird er der «Poulidor des internationalen Eishockeys»?
26.05.2025, 04:2926.05.2025, 15:04
klaus zaugg, stockholm
Mehr «Sport»

Zuerst kommen die Spieler durch die Mixed-Zone. Sie haben die Silbermedaille umgehängt. Aber sie sind traurig. Andres Ambühl ringt mit den Tränen. Leonardo Genoni mag sich über die Auszeichnung zum wertvollsten Spieler des gesamten Turniers (MVP) nicht freuen.

«Das ist bloss ein Trostpreis.»

Er hat nach 2018 und 2024 nun zum dritten Mal trotz heldenhafter Leistung den WM-Final verloren. Obwohl er der erste Torhüter der Geschichte ist, der im Viertelfinal, im Halbfinal und im Final nach regulärer Spielzeit kein einziges Tor kassiert hat – und trotzdem nicht Weltmeister geworden ist. Ein einziger Treffer in der Final-Verlängerung hat den Traum «zerstört».

Als ihn jemand mit den Worten «Aber nun wissen Sie wenigstens, dass Sie wieder der wahre Genoni sind …» zu trösten versucht, hält er kurz inne und sagt:

«Ja, es war wohl ein guter Match. Aber das zählt nicht. Wir haben verloren. Ich hätte so gerne auch für Andres Ambühl dieses Spiel gewonnen.»
switzerland world cup stockholm
Leonardo Genoni hat sein Möglichstes getan.Bild: klaus zaugg/watson

Patrick Fischer ist ganz einfach enttäuscht, ja er wirkt müde und traurig. Was soll er nach seiner vierten Finalniederlage auch sagen: 2013 war er als Assistent von Sean Simpson dabei, 2018, 2024 und jetzt in Stockholm ist er Cheftrainer.

«Danke. Das war alles, was ich nach einer solchen WM in der Kabine zu meinen Spielern sagen konnte. Danke für das, was sie in den letzten Wochen in der Vorbereitung und dann hier bei dieser WM gezeigt haben.»

In der Pause vor der Verlängerung habe er die Entschlossenheit gespürt. Die Stimmung war gut. Der Gegner aber am Ende besser.

fischer stockholm
Patrick Fischer ist niedergeschlagen.Bild: klaus zaugg/watson

Auch die Fans ziehen enttäuscht davon. Viele fahren mit der U-Bahn zurück in die Stadt. Um vor dem Heimflug noch ein wenig zu schlafen. Auch sie sind traurig. Stehen in Gruppen bei der U-Bahn Haltestelle zusammen und diskutieren über das Drama, das sie soeben miterlebt haben. Ein Drama, an das sie sich bis an ihr Lebensende erinnern werden.

switzerland world cup stockholm
Gedrückte Stimmung in der Stockholmer U-Bahn.Bild: klaus zaugg/watson

Und dann ertönt während der Fahrt zurück ins Stadtzentrum – die Uhr rückt auf 1 Uhr zu, auf einmal in der U-Bahn «La Montanara». Ja, für ein paar Minuten stimmt eine Fangruppe ganz kurz das Lied an, das in Ambri nach einem Sieg angestimmt wird. Es ist eben auch die melancholische Hymne der ewigen Verlierer – die Hymne eines Klubs, der gerade deshalb Kultcharakter hat, weil er nie einen Titel gewinnt (den Spengler Cup rechnen wir in diesem Zusammenhang mal der Abendunterhaltung zu).

Ach, «La Montanara» passt eben auch zu unserem WM-Team, das auch noch nie einen Final für sich entschieden und noch nie einen Titel gewonnen hat (den Deutschland Cup rechnen wir in diesem Zusammenhang mal der Abendunterhaltung zu).

«La Montanara» passt sehr gut zu unseren tapferen WM-Helden, die mit einer Leidenschaft sondergleichen, einer Leidenschaft, die an Ambri mahnt, alles gegeben haben. Und denen es am Ende doch nicht gereicht hat. Wie Ambri, das 1999 den Final gegen Lugano verloren hat.

Ambri?s fans sing ?La Montanara after the regular season National League game between HC Ambri Piotta and HC Ajoie at the ice stadium Gottardo Arena in Ambri, Switzerland, Wednesday, January 22, 2025. ...
Ambris Vereinshymne ist Kult – und passt derzeit auch wunderbar zur Schweizer Nati.Bild: keystone

Hätte allerdings Ambri damals in den späten 1990er Jahren einen Goalie wie Leonardo Genoni gehabt, wäre der erste Titel, ja, die ersten Titel wären längst gewonnen.

Auch ewige Verlierer können charismatisch sein. Raymond «Poupou» Poulidor (1936 bis 2019) war einer der populärsten französischen Sportler der Geschichte. Nicht, weil er ein Sieger war. Er galt als der «ewige Zweite», der die Tour de France nie gewann, aber dreimal heldenhafter Zweiter war.

Patrick Fischer ist jetzt als Cheftrainer zum dritten Mal heldenhafter Zweiter geworden. Vielleicht wird aus ihm der «Raymond Poulidor des internationalen Eishockeys».

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
HCD, SCB, ZSC und? Diese Klubs wurden schon Schweizer Hockey-Meister
1 / 13
HCD, SCB, ZSC und? Diese Klubs wurden schon Schweizer Hockey-Meister
HC Davos: 31 Titel, 6 seit 1986; zuletzt Meister: 2015.
quelle: keystone / ennio leanza
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Despacito mit Eishockey-Spielern
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
12 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
12
    Nati-Verteidiger Rodriguez verliert mit Betis Sevilla im Final der Conference League
    Chelsea gewinnt den Final der Conference League. In Wroclaw in Polen drehen die Engländer die Partie gegen Betis Sevilla mit Ricardo Rodriguez und gewinnen 4:1.

    Weltmeister mit der U17 wurde er 2010. Mit Wolfsburg gewann er 2015 den deutschen Cup. Und nun, zehn Jahre nach seinem letzten Titelgewinn, sah es bis zu seiner Auswechslung in der Pause so aus, als könne sich Ricardo Rodriguez im Alter von 32 Jahren auch Europacupsieger nennen.

    Zur Story