Zuerst kommen die Spieler durch die Mixed-Zone. Sie haben die Silbermedaille umgehängt. Aber sie sind traurig. Andres Ambühl ringt mit den Tränen. Leonardo Genoni mag sich über die Auszeichnung zum wertvollsten Spieler des gesamten Turniers (MVP) nicht freuen.
Er hat nach 2018 und 2024 nun zum dritten Mal trotz heldenhafter Leistung den WM-Final verloren. Obwohl er der erste Torhüter der Geschichte ist, der im Viertelfinal, im Halbfinal und im Final nach regulärer Spielzeit kein einziges Tor kassiert hat – und trotzdem nicht Weltmeister geworden ist. Ein einziger Treffer in der Final-Verlängerung hat den Traum «zerstört».
Als ihn jemand mit den Worten «Aber nun wissen Sie wenigstens, dass Sie wieder der wahre Genoni sind …» zu trösten versucht, hält er kurz inne und sagt:
Patrick Fischer ist ganz einfach enttäuscht, ja er wirkt müde und traurig. Was soll er nach seiner vierten Finalniederlage auch sagen: 2013 war er als Assistent von Sean Simpson dabei, 2018, 2024 und jetzt in Stockholm ist er Cheftrainer.
In der Pause vor der Verlängerung habe er die Entschlossenheit gespürt. Die Stimmung war gut. Der Gegner aber am Ende besser.
Auch die Fans ziehen enttäuscht davon. Viele fahren mit der U-Bahn zurück in die Stadt. Um vor dem Heimflug noch ein wenig zu schlafen. Auch sie sind traurig. Stehen in Gruppen bei der U-Bahn Haltestelle zusammen und diskutieren über das Drama, das sie soeben miterlebt haben. Ein Drama, an das sie sich bis an ihr Lebensende erinnern werden.
Und dann ertönt während der Fahrt zurück ins Stadtzentrum – die Uhr rückt auf 1 Uhr zu, auf einmal in der U-Bahn «La Montanara». Ja, für ein paar Minuten stimmt eine Fangruppe ganz kurz das Lied an, das in Ambri nach einem Sieg angestimmt wird. Es ist eben auch die melancholische Hymne der ewigen Verlierer – die Hymne eines Klubs, der gerade deshalb Kultcharakter hat, weil er nie einen Titel gewinnt (den Spengler Cup rechnen wir in diesem Zusammenhang mal der Abendunterhaltung zu).
Ach, «La Montanara» passt eben auch zu unserem WM-Team, das auch noch nie einen Final für sich entschieden und noch nie einen Titel gewonnen hat (den Deutschland Cup rechnen wir in diesem Zusammenhang mal der Abendunterhaltung zu).
«La Montanara» passt sehr gut zu unseren tapferen WM-Helden, die mit einer Leidenschaft sondergleichen, einer Leidenschaft, die an Ambri mahnt, alles gegeben haben. Und denen es am Ende doch nicht gereicht hat. Wie Ambri, das 1999 den Final gegen Lugano verloren hat.
Hätte allerdings Ambri damals in den späten 1990er Jahren einen Goalie wie Leonardo Genoni gehabt, wäre der erste Titel, ja, die ersten Titel wären längst gewonnen.
Auch ewige Verlierer können charismatisch sein. Raymond «Poupou» Poulidor (1936 bis 2019) war einer der populärsten französischen Sportler der Geschichte. Nicht, weil er ein Sieger war. Er galt als der «ewige Zweite», der die Tour de France nie gewann, aber dreimal heldenhafter Zweiter war.
Patrick Fischer ist jetzt als Cheftrainer zum dritten Mal heldenhafter Zweiter geworden. Vielleicht wird aus ihm der «Raymond Poulidor des internationalen Eishockeys».